Gustav Brecher wurde am 5.2.1879 im böhmischen Eichwald geboren Er stammte aus einem musikinteressierten Elternhaus. Mit seinen jüdischen Eltern kam er 1889 nach Leipzig. Hier besuchte Gustav das Nikolai-Gymnasium und erhielt Musikunterricht. Bereits mit 18 Jahren dirigierte Gustav Brecher das Gewandhausorchester, nachdem Richard Strauss schon einige Tondichtungen von ihm aufgeführt hatte. Nach Beendigung der Schulzeit studierte er am Leipziger Konservatorium. Durch die Protektion von Richard Strauss und Gustav Mahler erhielt er nach 1900 Engagements an der Wiener Hofoper, dem Stadttheater Olmütz (Mähren) und von 1903 bis 1912 als Kapellmeister am Stadttheater Hamburg. Es folgten Dirigate in Köln und Frankfurt/Main. Im Juli 1920 kam er nach Berlin und arbeitete im Theater des Westens und als Gastdirigent der Berliner Philharmonie.
Gustav Brecher heiratete im Oktober 1920 Gertrud „Gerdi“ Deutsch. Die Tochter von Felix Deutsch und seiner Ehefrau Elisabeth Franziska wurde am 27.9.1894 in Mannheim geboren. Sie war jüdischer Abstammung. Die Ehe bleib kinderlos. Getruds Familie lebte in sehr vermögenden Verhältnissen. Der Vater Felix Deutsch war Mitbegründer und Direktor der Firma AEG. Die Mutter Elisabeth, genannt Lilli, führte in der Familien - Villa in Berlin -Tiergarten einen Salon. Gertruds Bruder war der Betriebsleiter bei der Tonbild-Firma TOBIS. Gertrud Brecher hatte unter anderem Anteile bei dem berühmten Musikverlag Universaledition.
Nach Konzertreisen in Hamburg, Wien, Rom, Amsterdam, Prag und Moskau kam Gustav Brecher 1923 nach Leipzig zurück und wurde leitender Operndirektor am Neuen Theater“. Im Januar 1925 folgte Gertrud Brecher ihrem Mann nach Leipzig. 1928 - im Jahr des Todes von Felix Deutsch - mieteten Gustav und Gertrud Brecher das Haus in der Parkstr. 2 in Oetzsch.
Gustav Brecher verhalf der Leipziger Oper durch neue Impulse und Perfektion zu einer höheren künstlerischen Qualität. Er machte das Haus von den 1920er Jahren an zu einer der progressivsten Opernbühnen Deutschlands.
Ab 1923 gab Gustav Brecher zudem zahlreiche Sonderkonzerte für das Leipziger Arbeiterbildungsinstitut – oft an Wochenenden.
Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten erhielt Gustav Brecher Berufsverbot auf Grund seiner jüdischen Abstammung. Am 4.März 1933 dirigierte Brecher Richard Wagners „Meistersinger“. Eine Woche später, am 11. März 1933, wurde er offiziell vom Leipziger Oberbürgermeister Carl Goerdeler entlassen. Sein Gehalt wurde minimiert. Nahezu vollkommen isoliert verließen die Brechers ihr Haus in Oetzsch und auch Leipzig.
Ein Engagement in Leningrad (Sowjetunion) Anfang 1934, um das dortige Rundfunk-Orchester zu leiten, war nur von kurzer Dauer. Zu groß waren die Sprachbarrieren, um seine musikalischen Vorstellungen vermitteln zu können. Gustav Brecher ging zurück nach Berlin. Die Eheleute wohnten in einer Villa in Berlin-Dahlem, die Gertruds Mutter gehörte. Doch auch die jüdische Familie Deutsch wurde enteignet. Nach kurzen Engagements in Wien und Prag verließen Gertrud und Gustav Brecher Deutschland Anfang 1939 und gingen nach Brno in die Tschechoslowakei. Doch die Flucht nahm kein Ende. Im März 1939 wurde das Nachbarland annektiert. Anfang April 1939 flohen die Eheleute weiter nach Belgien, wo sie mit Gertruds Mutter zusammentrafen. In Antwerpen warteten sie auf die Papiere für eine Schiffspassage nach Lissabon.
Doch mit ihren tschechoslowakischen Reisepässen wurde ihnen die Einreise nach Portugal verweigert, denn sie waren Bürger eines Staates, den es nicht mehr gab. Im Juni 1939 zogen alle drei nach Ostende. Die bürokratischen Hürden zur legalen Ausreise blieben unüberwindlich. Als Deutschland am 10. Mai 1940 in Belgien einmarschierte, schien die Aussicht auf Flucht und Rettung endgültig zunichte. Im Mai 1940 endete das Leben von Gustav Brecher im Alter von 61 Jahren und das seiner Ehefrau Gertrud Brecher mit 45 Jahren. Nach Auskunft von Bruno Walter, ehemaliger Gewandhaus-Kapellmeister, versuchte Brecher mit Ehefrau und Schwiegermutter von Ostende aus im Fischerboot die Flucht nach England. Sicherlich waren sie auf dem Weg zu Gertruds Bruder, dem 1934 über die Schweiz die Emigration nach England gelungen war. Von dieser Reise kamen sie nicht zurück.
Quellen
Björn Eggert: Gustav Brecher – Stolpersteine in Hamburg
(https://www.stolpersteine-hamburg.de/?MAIN_ID=7&BIO_ID=1724)
Peter Uhrbach: Auch nach Leipzig gehört ein Stolperstein für Gustav Brecher! , in: Leipziger Internet Zeitung, 21. Mai 2020