Am Abend des 8. Januars 2025 wurde die Medea von Euripides im Schauspielhaus Leipzig gespielt. Medea des klassischen Theaters gehört 2400 Jahre nach ihrem Entstehen zu den wohl meist aufgeführten Tragödien.
Medea als Königstochter aus Kolchis und Enkelin des Sonnengottes Helios wird in der Literatur, dem Theater und später auch dem Film über die Jahrhunderte hinweg immer wieder neu erforscht, wobei ihre Geschichte als ein universelles Drama von Macht, Verrat und menschlicher Verzweiflung immer wieder aktuelle Relevanz erhält. Unsterblich verliebt in den griechischen Krieger Jason verhilft sie ihm das Goldene Vlies zu stehlen. Darauf fliehen sie zusammen nach Griechenland, wobei Medea ihre Heimat für Jason opfert. Zunächst leben sie glücklich und bekommen zwei Kinder. Doch schließlich begeht Jason Treuebruch und verlässt Medea, um die Königstochter Glauke aus Korinth zu heiraten und erhofft sich damit eine höhere Stellung am Palast. Medea sinnt nicht nur auf Rache, sondern tötet auch unvorstellbar ihre eigenen Kinder.
Eine moderne sowie beeindruckende Inszenierung gelingt dem Regisseur Markus Bothe mit Unterstützung von u.a. Kathrin Frosch mit der Bühnengestaltung. Zentraler Blickpunkt ist der Palast, der hier einem Wintergarten gleicht. Der Anfang überzeugt durch die gewagte Gestaltung des Bodens mit Wasser. Die Söhne Medeas, gespielt von Jaro Dollmeyer und Louis Stabenow, führen abwechselnd in den Konflikt und die Vorgeschichte ein. Dabei spielen auch akustische Effekte durch das Wasser eine Rolle und gezielt eingesetzte Stille hat eine tragende Rolle.
Eine der auffälligsten Interpretationen der Inszenierung war die physische und psychische Abgrenzung der Korinther, symbolisiert durch die Glaswände des „Palastes“. Doch die Transparenz der Wände dient nicht der Offenheit, sondern verdeutlicht die Trennung Medeas von ihrer feindseligen Gesellschaft. Außerhalb bleibt es trostlos und kalt, während die Korinther sich in ihrer scheinbaren Sicherheit beinahe argwöhnisch abschirmen.
Besonders eindringlich wirkte der Auftritt der drei Gefolgsleute von Kreon, gespielt von Bruno Akkan, Joshua Dahmen und Yves Hinrich, die stets gleichzeitig sprechen. Diese choreografierte Einheit vermittelt die strikte Kontrolle und die dominierende Machtstruktur. Hier lässt sich gut die Unnahbarkeit der Korinther und die Einheitsfront gegen Medea erkennen. Die Wahl, alle Gefolgsleute in fast identischen Anzügen auftreten zu lassen, unterstreicht zwar ihren Gegensatz zu Medea in ihrem schlichten Kleid, wirkt jedoch fast zu banal und unpassend modern.
Sonja Isemer übernimmt die Rolle der Amme. Ein interessanter Bruch war ihre Integration, wobei sie teilweise als Chor fungiert. Ihre Kommentare fügen der Handlung eine reflektierende Ebene hinzu, die dem Zuschauer hilft, die inneren Konflikte der Figuren besser zu verstehen.
Die Entscheidung, die Bühne drehbar aufzubauen, war darüber hinaus eine schlaue Wahl, da es die Dynamik und Kontraste steigerte. Dennoch hätte man sich stellenweise mehr „Action“ oder visuelle Spannungsmomente gewünscht, da der Fokus gewollt auf der Sprache und den Dialogen lag.
Anne Cathrin Buhtz als Medea wird in dieser Darstellung nicht als wilde Furie dargestellt, sondern als komplexe Figur, die gleichermaßen klug, verzweifelt und zerrissen ist. Ihre Heimatlosigkeit und die damit verbundene Isolation werden in jeder Szene spürbar, ebenso wie ihre ambivalente Rolle als betrogene Ehefrau, fremde Außenseiterin, aber auch Liebende. Sie verkörpert zugleich die emanzipierte Frau, die sich mutig gegen Ungerechtigkeit auflehnt und die Einsame, Eifersüchtige, die verzweifelt nach Halt sucht. Auch ihre Fähigkeiten als Giftmischerin und Zauberin sind bekannt und verleihen ihr durch dieses Bewusstsein eine fast mystische Aura, die sie von den anderen Figuren abhebt. Obwohl ihre Darstellung durch ruhige und präzise Ausdrucksweise beeindruckend, hätte man sich gewünscht, dass ihr Aussehen stärker ihre ungezähmte Natur unterstreicht. Eine Medea mit langem, wildem Haar hätte ihre außergewöhnliche Herkunft und ihre unbändige Leidenschaft noch greifbarer gemacht.
Denis Petković als Jason überzeugte eher weniger durch Aussehen und Sprechen. Dies liegt eventuell auch an der Auffassung der Figur im Interpretationsspielraum.
Das Ende der Tragödie war zweifellos einer der beeindruckendsten Momente des Abends. In einer symbolischen und intensiven Szene kam Sprühregen in Wellen von der Decke herab, beleuchtet von einem rötlichen Licht, das die gesamte Bühne in eine bedrohliche und zugleich erhabene Stimmung taucht.
Insgesamt überzeugte die starke schauspielerische Leistung, vor allem die Medeas und die besondere Atmosphäre während des gesamten Theaterstücks.
Luise Müller-Steidner, JG 12, DE1